Zwischen strengen Gesetzen in Bezug auf Tabak- und Nikotinprodukte und ihrer Durchsetzung klafft oft eine Lücke. Illegale Händler agieren anonym, Behörden sind überlastet und der Jugend- und Verbraucherschutz bleiben auf der Strecke.
Teil 1 von 3 unserer Serie „Durchsetzen statt verschärfen – Regulierung, die wirkt“
Mal angenommen, Sie stoßen rein zufällig auf einen Goldschatz. Klassisch in einer Truhe verpackt. Wie man das so kennt. Doch statt eines Schlosses ist da nur ein Zettel, auf dem geschrieben steht: „Darf nur von einem Michael geöffnet werden.“ Jetzt könnten Sie natürlich ins Grübeln kommen. Denn Sie heißen zwar nicht Michael, aber das viele Gold wüssten Sie schon gut zu gebrauchen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Jugendschutz im Internet. Ob auf pornografischen Webseiten oder beim Handel mit alkoholischen oder nikotinhaltigen Produkten: Die Frage „Sind Sie älter als 18 Jahre“ ist oft die größte Hürde für Heranwachsende. Und man würde gern mal wissen, wie viele Teenager, die online E-Liquids bestellen wollen, bei dieser Frage kalte Füße kriegen und auf „Nein“ klicken. Die Wahrscheinlichkeit, einen Goldschatz zu finden, ist vermutlich höher.
Nun sind Probleme beim Durchsetzen von Jugendschutzgesetzen keine Erfindung des digitalen Zeitalters. Gerade wenn es ums Rauchen geht. Vor Einführung der Altersprüfung an Zigarettenautomaten durch Personalausweis oder Führerschein im Januar 2009 etwa war es noch viel leichter als heute, an Zigaretten zu kommen. Eines aber blieb immer gleich: Gesetze zum Schutz der Jugend, zur Einhaltung von Qualitäts- und Gesundheitsstandards bei der Produktion oder zur Steuererhebung gab es stets zur Genüge. Allein die Durchsetzung war das Problem – und bleibt es nach wie vor.
Digitalisierung erhöht Jugendschutzrisiken
Influencer, die Tabakprodukte attraktiv erscheinen lassen, gab es schon immer. Ob der Leinwandheld von früher eine Zigarette rauchte, die er sich lässig hinter dem Ohr hervorholte, oder ob der Rap-Star von heute in seiner Instagram-Story ein Auge auf Vapes macht – das Grundprinzip ist dasselbe. Nur, dass heutige Teenager eben immer bloß einen Klick vom (illegalen) Online-Händler entfernt sind.
Wo genau man dann landet, ist oft nicht leicht nachzuvollziehen. Und Teil des Problems. Auf vielen internationalen Online-Plattformen sind Produkte verfügbar, die in der EU gar nicht zugelassen oder wegen ihrer Inhaltsstoffe, Füllmengen oder Nikotinstärken illegal sind. Versandt werden sie dennoch. Die Strafverfolgung ist schwierig, weil die Anbieter sich gut tarnen oder komplett anonym agieren und außerhalb Europas ohnehin die Zugriffsmöglichkeiten für die verfolgenden Behörden fehlen.

Illegale Produkte gefährden Verbraucherschutz
Aber auch jenseits des Jugendschutzes steht der Staat vor vielen Herausforderungen, zum Beispiel durch illegale Zigarettenfabriken. Es klingt wie der Plot aus einer mittelmäßigen Krimi-Serie: Als Beamte des Zollfahndungsamtes Essen im März 2025 eine Lagerhalle in Düsseldorf stürmten, fanden sie ganz reale Arbeiter und Maschinen. Mit ihnen sollen innerhalb eines Jahres rund 275 Millionen Zigaretten produziert worden sein. Der entstandene Steuerschaden: rund 53 Millionen Euro. Doch das ist es nicht allein. Die in den illegalen Fabriken hergestellten Zigaretten sind über die ohnehin bekannten Risiken des Rauchens hinaus gesundheitsgefährdend. So berichteten Ermittler von Taschentüchern, Drahtschnipseln und alten CDs, die sie in den Anlagen und dementsprechend auch im Tabak gefunden hätten.
Ähnlich gefährlich geht es häufig auch bei E-Zigaretten zu. Im Internet bestellte Importprodukte überschreiten oft die in Deutschland und der EU zulässigen Grenzwerte für Nikotin und Tankvolumen oder tragen weder vorgeschriebene Inhaltsstoffangaben noch Warnhinweise. Anders gelagert ist der Fall bei sogenanntem Lutschtabak und Nikotinbeuteln. Während Lutschtabak wie der in Schweden erlaubte Snus hierzulande wegen seines Tabaks zwar konsumiert, aber nicht erworben werden darf, sind Nikotinbeutel ohne Tabak verboten. Die Folge: maximale Verunsicherung durch unklare Regeln und ein unübersichtlicher Markt ohne funktionierende und verlässliche Kontrollmechanismen.
In dieser Gemengelage steckt eine Riesengefahr für den Verbraucher- und Jugendschutz, für den legalen Wettbewerb und für wichtige Steuereinnahmen, die dem Staatshaushalt entgehen. Vielversprechender als immer neue Regelungen, die niemand mehr wirksam kontrollieren kann, ist aus unserer Sicht ein effektives Bündnis aus Politik, Behörden, Herstellern, Händlern und auch Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich gemeinsam gegen illegale Aktivitäten im On- und Offline-Markt stark machen.
Christian Cordes, Reemtsma Director Corporate & Legal Affairs Cluster DACH

